Rückblicke, Erkenntnisse und Gedanken zum PCT
31.12.2022 Rückblick und Ausblicke
Das Alte loslassen und dem Neuen die Türe öffnen. Es willkommen heißen und neugierig begrüßen.
Ich freue mich, dass ich so ein wunderbares Jahr 2022 verabschieden darf. Spannende Abenteuer und hoffnungsvolle Momente lösten einander ab.
Oma zu werden war bestimmt einer der aufregendsten Momente dieses Jahres. Der kleine Milo, der das Leben seiner Eltern und hoffentlich auch meines auf den Kopf stellen wird, ist das schönste Geschenk. Schon bald wird in seinen Augen die Neugier aufblitzen und nichts mehr vor den kleinen Händen sicher sein. Ja, das wird ein Abenteuer ….
Die Gedanken gehen zurück zum Mount Whitney (4421m) auf einer Höhe von 4300m. Kurz vor dem Gipfel musste ich umkehren und den fantastischen Sonnenaufgang etwas weiter unten genießen. Ein unglaublicher Moment dieses Jahres. Nie zuvor war ich dem Himmel zu Fuß näher gekommen wie dort.
Ich bin so voller Dankbarkeit für diese Momente und das Jahr, welches jetzt zu Ende gehen darf.
Ein Jahr voller Höhepunkte: den PCT erfolgreich beendet und gesund nun Oma geworden, die Urkunde der Diakonie für 40 Jahre Dienst am Nächsten, meine Familie umarmt und geherzt, Freunde getroffen und neue Freunde wurden mir geschenkt.
Fünf Paar Schuhe habe ich dieses Jahr durchgelaufen. Ein Zelt mit ca. 20 Flicken repariert. Meine Luftmatratze mit nur einem Loch über den Pacific Crest Trail gebracht. Den Menschen, die ich liebe, habe ich das auch gesagt. Ca. 50 Teelichter abgebrannt. 3 Paar Socken gestopft und mich mit ca. 100 Snickers bei guter Laune gehalten. Fünf Monate keine Kaffeetasse gehalten. Wundervolle Zeilen von tollen Menschen bekommen. Corona überstanden und mir einen Zahn ziehen lassen (Zahn 26 war nicht mehr gut mit mir).
Etliche Male in der Katzenbuckeltherme entspannt. So oft es ging zu Fuß zum Dienst gegangen und die tierischen Begegnungen in Wald und Flur genossen. Gerne meine Arbeit getan und die Auszeit dankbar als Geschenk erkannt. Zweimal Großputz meiner Milchhäuslevilla erledigt. 20 kg Vogelfutter verteilt und meinem Hundekumpel Ramsi ein Spielzeug geschenkt, mal was anderes als immer nur Gassi gehen 😉.
All diese Kostbarkeiten halte ich in Herzenshänden und darf „Danke“ sagen, innehalten und still werden. Mich erinnern an die Menschen, die ich nun nur noch im Herzen trage. Mich erinnern an das große Leid, welches gerade auf der Welt geschieht (Corona, Krieg). Beten dafür, dass es für die Menschen, deren 2022 nicht schön war, ein besseres 2023 geben wird.
Die Fülle an Glück, die mein Herz und das vergangene Jahr erfüllten, möchte ich im neuen Jahr mit allen teilen, die daran Freude haben. Mein Vorsatz …. einen tollen Vortrag über die außergewöhnliche Wanderung auf dem PCT erstellen.
Habt alle einen zuversichtlichen Übergang ins neue Jahr 2023, für Frieden, Licht und Liebe auf unserer Welt. Für eine Natur, an der sich noch viele Generationen erfreuen dürfen. In diesem Sinne,
Herzlich eure Andrea.
01.12.2022 Spätfolgen und Kleine Welt
Anders wie bei den „Influenzern“ auf Twitter, TikTok oder Instagram habe ich nur wenige Leser und Zuschauer während meiner Reise auf dem PCT gehabt. Das ist der Sache geschuldet, dass sich eben nur recht wenige Menschen für eine solche Herausforderung interessieren. Dafür sind die Menschen, die mir dann doch auf meinem Weg durch Wüste, Gebirge und Wald(brände) gefolgt sind, alle auf ihre Weise besonders.
Ich möchte allen nochmals für die manchmal sehr hilfreiche und aufmunternde Unterstützung danken, die sie mir auch in den dunkelsten Momenten der Coronaerkrankung zuteil werden ließen.
Ein Kontakt, der sich aus den Zuschriften, Kommentaren und E-Mails ergeben hat, zeigt mal wieder auf unglaubliche Weise, wie klein diese Welt doch ist: Als ich 2009 das erste Mal den Jakobsweg nach Santiago de Compostela lief, müssen wir uns eigentlich getroffen haben. Zumindest erinnerte sich eine Mitwanderin von Ina daran, dass da jemand mit einem Einkaufstrolli unterwegs gewesen war auf dem Pilgerweg.
(Nur zur Erläuterung: Einkaufstrolli, weil ich damals aufgrund der (Über-)Belastung in meinem Beruf nicht in der Lage gewesen wäre, einen Rucksack zu tragen)
Und nun, dreizehn Jahre später, sollen wir uns nun also wirklich kennen lernen und wollen zusammen ihr ganz persönliches PCT-Abenteuer planen. Die Welt ist oft kleiner, wie man denkt….
16./17. November und Erkenntnisse zum "After-Trail-Leben"
Der erste Besuch wieder im Fitness-Studio
Nachdem mein fürsorglicher Sohn mir beim gemütlichen Zusammensein mit Abendessen, einen Vortrag darüber gehalten hat, dass Mutter es ist nicht gut tut, so radikal von einer so hohen körperlichen Leistung auf nahe Null herunter zu fahren, muß ich was machen. Recht hat er ja und klar, dass momentan so viele Dinge auf einmal erledigt werden wollen und mir der Einstieg in den normalen Alltag schwerfällt, ist ungesund. Er spricht von einer „Post - Trail – Depression“. „Uuuuuhh, das klingt nach einem echtem Loch“ versuche ich scherzend meine fehlende Disziplin zu verbergen. Ich weiß er meint es gut und seine Worte blieben nicht wirkungslos. Noch auf der Heimfahrt entschließe ich mich dazu, am nächsten Morgen ins Fitness-Studio zu gehen.
Ich gehe mich auf dem Laufband warm und stelle rasch fest: mit dem Gehen klappt es noch super. 8 km/h bei einem Puls von 130 und 2% Steigung. Damit war ich motiviert, mich den fast stillgelegten Muskelgruppen meines Körpers zuzuwenden. Die Geräte hatten sich nicht verändert, vielleicht von manchen der Standort und auch ein paar neue, rätselhafte Maschinen kamen während meiner Abwesenheit dazu.
Ich setze mich auf den Sitz der „Muckis oberer Rücken und Oberarme dürfen was tun“-Maschine. Mein Blick fällt auf die Gewichte: Och ja, 5 Platten á keine Ahnung wieviel Kilo sollten passen. Recke meine Arme nach oben, um die Griffe zu ergreifen. Aber nicht mal ein kleines Stückchen bekomme ich das Teil bewegt, muss lachen und mir wird einiges schlagartig klar: Da, wo du vor sechs Monaten mal warst bist du bei „WEITEM“ nicht mehr!
Runter auf 2 Platten und dann 3x12 Einheiten. So verbrachte ich eine Stunde mit einem Training wie damals in den Anfängen meiner Studio Karriere. Ich hätte nie gedacht, dass die Muskulatur so stark abgebaut hat während der Wanderung. Das hat mich schon nachdenklich gestimmt und mir die Notwendigkeit eines wieder zu intensivierenden Trainings nahegebracht. Gleichzeitig aber kommt auch Dankbarkeit dafür auf, dass ich vor dem Start ein sehr intensives Training über viele Monate absolviert habe. Wieder wird mir klar, ohne dieses Vorbereitungstraining wäre der Trail für mich nicht zu bewältigen gewesen.
Auf zur zweiten Runde Studio, heute 17.11.22 zwei Tage nach der ersten Runde
Manonono was habe ich ein Muskelkater noch vom ersten Besuch. Auf das Bauchmuskeltraining verzichte ich ganz und bei vielen Übungen wird der Schwerpunkt erstmal auf die Wiederholungen und geringes Gewicht gelegt. Es fühlt sich an, als müssten die Bewegungsabläufe neu eingeübt werden. Alles in Allem fällt es mir heute aber schon leichter und ich freue mich auf das regelmäßige Training über den Winter. Meine Gedanken kehren zurück auf den Trail und die Erinnerung an die letzten drei Wochen. Mehr und mehr machten sich Probleme mit dem Rücken bemerkbar, mein eigenes Gewicht an der Grenze, genauer bei 53 Kg. Da ist nicht nur Fett geschmolzen sondern auch Muskelmasse.
Inzwischen sind 7 Kilo wieder drauf und eine neue Grenze erreicht.
Der Körper verlangt immer noch nach Süßigkeiten und das ist nur mit viel Disziplin im Griff zu halten. Boahhh, dass es so krass werden würde hätte ich nicht gedacht. Zu aller Disziplin um wieder in den Alltag zu finden auch noch das Dilemma mit den Süßigkeiten. Wenn ich mir allerdings vorstelle, was ich so in mich rein gefuttert habe das letzte halbe Jahr, da vergeht mir tatsächlich ein Stück die Lust auf Süßes. Ein Guter Trick ist auch, schnell beim Einkauf durch die Abteilung „Süße Verlockung“ zu laufen und weder links noch rechts schauen. Ganz ehrlich, es fällt schwer.
13. November 2022 - ein besonders schöner Spätherbsttag
Die Sonne ist gerade am Horizont aufgestiegen, als ich meine Augen öffne. Mein erster Gedanke, oh wie schön und nein nein nein, ich will nicht Dies und Jenes erledigen, was mich im Haus hält.
Will raus in die Sonne und über die Felder wandern. Den Duft des Herbstes noch einmal in mich aufsaugen, ehe das Wetter gen Regen umschlägt. Ein Kaffee muss reichen und dann schnell in die Klamotten und in die ausgelatschten letzten Altras vom PCT steigen.
Hach spür ich es wehmütig in mir, der Pacific Crest Trail…. Zwei Monate bin ich nun schon wieder weg vom Pfad meiner Leidenschaft. Tapse die Wendeltreppe hinunter und schalte den Wasserkessel ein, weiter zur Toilette und danach über das Bad mit Katzenwäsche zurück in die Küche. Als ich die Schublade mit den Kaffeetassen aufziehe, merke ich, dass die Sehnsucht noch nicht vorbei ist.
Immer noch ergreifen mich seltsame Gefühle, wenn ich die vielen Tassen im Schrank sehe. „Habe ich vielleicht nicht mehr alle Tassen im Schrank?“ grinse ich fast traurig und doch auch wieder amüsiert. Immerhin liebe ich mein Patenkind, welches mir von den gefühlt 30 Tassen in unterschiedlichen Altersstufen entgegen lächelt. Auf Zweien lächle ich nun sogar mit ihr zusammen mir entgegen. Mein Blick fällt in der Sammlung auf noch etliche Modelle mehr. Zwei Tassen die ich und mein Zwillingsbruder als Kinder immer benutzt haben und etliche Pilgertassen. Auch die Kindertassen meiner Söhne schauen mir direkt ins Gesicht mit ihrem Dinosaurier Motiv.
Es sind also alles nicht einfach Tassen, es sind Erinnerungen. Es gelingt mir, sie als solche zu erkennen, was es tatsächlich erleichtert, mit diesem Übermaß an Kaffeetassen zurecht zu kommen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir so manches Mal auf dem Trail eine Tasse gewünscht, aber aus Gewichtsgründen darauf verzichtet.
Was mir beim Anziehen auch aufgefallen ist: Ich muss mich tatsächlich selbst immer wieder daran erinnern, meine Kleidung nicht einfach nur zu waschen, sondern sie auch zu wechseln. Was so ein halbes Jahr alles in einem verändert. Ich muss regelrecht meinen Verstand einschalten, damit ich nicht täglich in dieselben Klamotten steige. Die Konzentration auf den gewöhnlichen, nun von mir geforderten Alltag fällt einfach schwer.
Etwa zur gleichen Zeit wie auch auf dem Trail trete ich vor die Türe hinaus in den herrlichen Sonnenschein. Überquere die Straße und gehe den kurzen Anstieg hinauf zu den Feldern. „Es ist meine Haus- und Hofrunde“, pflege ich zu sagen. Sie ist mir vertraut in allen Facetten. Mein Traumpfad und so fühle ich mich heute auch. Träume von den Erlebnissen auf dem längsten je von mir unter die Füße genommenen Wanderweg. Weit über den großen Teich fliegen meine Gedanken zum PCT, während meine Füße Schritt für Schritt auf heimatlichem Grund entlanglaufen. Über die von Sonne gefluteten Wiesen am Waldrand entlang. So sehr ich diese Runde liebe, die Ausblicke in den Kraichgau, das Schwäbische und den Odenwald. Es hilft nix, die Sehnsucht brennt in eine andere Richtung. Schon hallt ein schlechtes Gewissen in mir. „Sei nicht undankbar Andrea, du hattest eine schöne Zeit und jetzt ist anderes wieder wichtig“. Der Konflikt ist noch immer nicht gänzlich ausgetragen und das spüre ich in jedem Schritt.
Erinnerungen an den Trail: Als ich fast nicht weiterkonnte!
Plötzlich schermzt mir der rechte Fuß, ich humple regelrecht und das jetzt, wo ich so wenig gehe. An den langen weiten Pfad der vergangenen 5 Monate PCT denkend, gehe ich zügig. Hoffe die Schmerzen verschwinden doch angesichts des herrlichen Sonnenscheins und Ausblick.
Doch es bedrückt mich dennoch. Hatte ich noch zum Ende des PCT gedacht: ‚Nö, ein halbes Jahr wandern muss es nicht mehr sein in der Zukunft‘. Da kommt es mir Wochen nach meiner Rückkehr eher so vor: ‚Oh doch sehr gerne noch einmal so weit wandern und die Zeit spielt keine Rolle!‘
So bin ich und ist ein Teil von mir. Der Fuß schmerzt und ich denke an mögliche Weitwanderungen, bin nicht gewillt, die Füße still zu halten. Meines Erachtens ist nämlich genau das Stillhalten der Nährboden für Gelenkprobleme, Sehnenspannung, Muskelschwäche und Co. Wie lange die Liste wohl werden würde, wenn ich die Zipperlein alle einzeln erwähnen täte, denke ich schmunzelnd. Erinnere mich an meinen Sturz in den Bergen, wie schnell es gehen kann. Da löst sich ein Stein unter den letzten Resten Schnee und das Bein entgleitet, das andere mit und ich knalle volle Kanne mit der linken Hüfte auf den Stein. Mein erster Gedanke und das Gefühl dazu: ‚Auweia, das tat weh! Das wars jetzt mit dem Wandern hier auf dem PCT‘.
Tränen treten mir in die Augen, nicht so sehr wegen des Schmerzes, den bremst das Adrenalin. Viel mehr war es der geistige Schmerz, diese Emotionen von Enttäuschung und Ärger über mich selbst, der in den Vordergrund traten. Ich schelte mich warum ich nicht besser aufgepasst habe, menno wie blöd aber auch. Erst die Folgegedanken bringen mich zurück in die Realität. Hatte mich zurück auf den Pfad geschleppt und saß auf einem großen Stein zum Ausruhen. Ein Snickers reinschieben hilft bestimmt, zum Drama des Tages durfte es sogar ein Mandel Snickers (so lecker) sein. Gefühlt ging es gleich ins Blut und die Schokolade setzte helfende Glückshormone frei, Gott sei Dank.
Erst jetzt bemerkte ich mit klaren Gedanken im Geiste: Oh weh, hier kommst du, wenn du nicht gehen kannst, nur schwer wieder raus. Das steile Gelände und die vielen Bäume, dazu der heftige Wind. Ein Helikopter hat da keine Chance. Mit diesen Gedanken versuche ich mich aufzurichten und vorsichtig ein paar Schritte zu tun. Es tut - ungelogen - ziemlich heftig weh. Es half dennoch nichts, ich musste mich wieder auf den Weg machen. Die Schmerzen ließen den Kreislauf sinken und nur Bewegung konnte weitere Probleme verhindern. Mit immer noch feuchten Augen schulterte ich den Rucksack und ging los. Da der Pfad auch weiterhin sehr anspruchsvoll war, fiel jeder Schritt schwer und nach kurzer Zeit war klar: ohne Schmerzmittel würde es nicht gehen! So nahm ich eine 600er Ibu ein.
Humpelnd verging die Zeit gleich gar nicht mehr und meine Laune war tief unten. Zu allem Übel kam auch noch seit dem Vorfall keine Menschenseele mehr vorbei. Es ist nicht, dass ich Angst gehabt hätte, aber ein gutes Gefühl ist es schon, wenn man in solchen Situationen nicht alleine ist. Es war etwa eine Stunde später, als ich mit traurigem Gesicht auf eine Gruppe junger Leute zuhumpelte. Sie fragten sogleich, was geschehen sei und ich erzählte kurz die Ereignisse. Schnell sah ich die junge Frau, die ohne Schuhe und mit einem Verband am Fuß in der Mitte der Gruppe saß. Ich fragte, was ihr passiert ist und da rückte mein eigenes Leid doch etwas nach hinten. Sie hatte sich vermutlich den Fuß gebrochen, war umgeknickt beim Gehen. Der Hubschrauber sei schon auf dem Weg. Ich wollte die Hoffnung nicht schmälern, aber mir war klar, dass er keine Chance hatte sie aufzunehmen. Ich blieb eine Weile bei der Gruppe, nicht zuletzt auch, um zu entscheiden, ob ich den Weg abbrechen musste oder mich weiter traute.
Der Hubschrauber kam, drehte eine Runde über uns und verschwand wieder. Irgendwie kam es einem vor wie in einem dramatischen Naturabenteuerfilm….keine Chance zur Rettung aus der Luft.
Nach etwa 1,5 Stunden hatte ich mich soweit im Griff, dass ich die Entscheidung treffen konnte. Ich wollte weiter laufen, auch wenn ich länger brauchen würde als geplant. Das „länger brauchen“ war mir ja schon von meiner Zeltnagel-Aktion vertraut, ebenso der Umgang mit Schmerzen. Ich schulterte abermals den Rucksack und verabschiedete mich von der Gruppe und der jungen Frau.
Tage später sollte ich erfahren, wie ihr Weg aus der Situation ausgesehen hatte. Sie musste mit den Freunden, die sie unterstützten, 5 Meilen zurück die verschneiten Berge hinauf bis zu einem Platz, wo sie die Retter mit Pferden aufnehmen konnten. Noch später erfuhr ich, dass sie inzwischen bei ihren Eltern war und der Fuß tatsächlich gebrochen.
Mein eigenes Leid gipfelte an diesem Tag noch darin: Ich wollte am Abend mein Essen zubereiten, aber der Kocher wollte nicht. Die Piezo-Zündung versagte und ich hatte kein Feuerzeug dabei. Saß in meinem mit Mühe errichteten Zelt und die Tränen standen abermals in meinen Augen. Kein Mensch weit und breit, es war kalt und ich hatte Schmerzen. Ein heißer Tee und nahrhaftes warmes Essen wären gut und nötig gewesen.
Da, ich höre doch etwas, das Geräusch von Wanderstöcken drang zu mir in den Wald. „Ohhhhh, Rettung!“ hoffe ich und rufe aus meiner Festung. „Hallo, hallo, ich könnte Hilfe brauchen!“
Ein Gesicht schob sich durchs Dunkel in den Lichtkegel meiner Lampe. Hast du ein Feuerzeug bitte, mein Kocher streikt?! Klar habe ich und sogar ein Ersatzfeuerzeug, du kannst das also behalten. Ich bedanke mich herzlich und soll ich euch was sagen, habe das Feuerzeug immer noch und benutzte es den ganzen Rest des PCT.
Zurück zum Spaziergang …..
Ich gehe durch den heimischen Wald und genieße Gedanken und Erinnerung. Mit der Kamera im Anschlag verfolge ich den im Sonnenlicht tanzenden Schmetterling. „Komm, lass dich nieder ich mache ein schönes Foto von dir“ spreche ich zu ihm. Weiter im lichtdurchfluteten Wald entdecke ich einen kleinen Hexenröhrling im Moos, wie er sein kleines Köpfchen unter einem Blatt hervor drückt. Huch und was ist das, ein Tierschädelknochen ruht in einem Bett aus Moos auf einem alten Baumstumpf. Kleine Schätze, die dem Wald seinen Charakter verleihen, machen den Spaziergang zu etwas eigenem Schönen.
Ich liebe die Heimat und die kleinen Mikro-Abenteuer ebenso sehr wie die langen Wanderungen. Sie sind die kleinen Urlaube im Alltag, die Inseln der Erholung, um den Akku zu laden. Wir kennen sie alle, die stressigen Momente, die belastenden Neuigkeiten, eine schlecht geschlafene Nacht und und und….
Da merke ich plötzlich, ich spüre nichts mehr, der Schmerz im Fuß hat sich befreit und ging davon. Juhuuuu freue ich mich, gehen hilft.
04. November 2022 - Dankbarkeit für so viel Zuspruch
In einer meiner früheren Texte schrieb ich es ja schon mal: Für nahezu jeden kommt auf dem Trail der Moment, wo er sich "bloß weg von hier" fühlt. Oft ist es die Sehnsucht nach dem Zuhause, der gewohnten Umgebung, ein Gefühl der Einsamkeit. Dagegen hilft bereits ein Satelitten-Kommunikationsgerät, das einem das gute Gefühl gibt, im Notfall nicht alleine zu sein. Denn man kann in der Wildnis oft nicht einfach mal "nach Hause" telefonieren.
Was aber auch sehr hilft (und mir geholfen hat) sind die lieben Kommentare, die ich während der Zeit per Mail bekommen habe. Ein paar möchte ich hier einfach mal veröffentlichen, denn sie sind so intensiv und kraftspendend, dass ich hoffe, sie geben auch anderen Kraft und Freude auf den PCT (oder eine andere lange Wanderung).
Liebe Andrea,
heute, nach längerer Zeit, noch einmal ein paar Zeilen von mir, denn inzwischen bist du mir mit deinen sehr schönen und authentischen Videos so sehr an’s Herz gewachsen und so vertraut geworden. Alles, was ich von dir sehe und lese berührt mich tief, ich bin dir dafür von ganzem Herzen dankbar und wünsche dir auf deinen letzten Trailmeilen noch einmal alles Liebe und Gute, gutes Wetter, Gesundheit und nochmal besonders schöne und glückliche Trailtage im wunderbaren Washington.
Seit dem 5.4.22 habe ich das Gefühl, mit in deinem Backpack sein zu dürfen und damit habe ich eine wunderbare Frau kennenlernen können, eine mental kraftvolle Frau, liebevoll mit allem, was kommt, dankbar verbunden, ganz authentisch wirklich "Happy" on Trail. Sehr dankbar bin ich dir für dein Teilen auf deinem Weg, all die schönen Bilder und es war so berührend, deine Zeilen zu lesen. Über all das, was zwischen den bewegten Bildern sinnhaft und wahrhaftig passiert, also, was das Bild an sich ja nicht in allem Umfang festhalten kann und nur du in diesem Moment spüren und erfahren konntest, wie es gerade da ist... ich kann das glaube ich nicht so in die passenden Worte fassen. Goch genau daran, habe ich öfters gedacht, wenn ich deine Videos gesehen habe und manchmal waren es auch ein paar Worte von dir im Video, die dann bei mir so unvergessen tief wirkten. So war es einmal eine Camp-Site, ich glaube, du warst noch in den Sierras, mit schöner Aussicht, mit Wolken über dir, die nah waren und mit Gedanken über das Leben und liebgewonnene Menschen... für mich sehr emotional und mit reiner tiefer Liebe verbunden.
Dieser Trail, so viele, viele Meilen haben dich deine Füße durch die Wilderness Amerikas getragen, fern deiner Lieben von zu Hause, in Gedanken mit ihnen verbunden, allein inmitten der weiten Natur...was das mit einem macht, kannst nur du ermessen...auf alle Fälle hast du mir mit deinem PCT- Tagebuch viele ganz besondere Geschenke gemacht, für die ich dir ganz herzlich danke.
Ich freue mich mit dir, wenn du den Northpoint erreichst und auch, dass du wieder in die europäische Heimat kommst, doch weiß ich auch, dass mir dein PCT-Update sehr fehlen wird...mein Herz machte immer Luftsprünge, wenn mein Handy "YouTube von Andrea" angezeigt hat :) :) :)
Vielleicht können wir weiter in Verbindung bleiben, das würde mich sehr freuen, denn wenn mich mein Mut nicht verlässt und alles Bürokratische klappt, dann werde ich im kommenden Jahr mein Longtrail-Sabbatical durchführen und da freue ich mich dann über wichtige Detailtipps von dir, als erfahrene Thruhikerin 🙂... am 30.09. habe ich meinen Interview Termin in der Amerikanischen Botschaft in Berlin...also, du kannst derzeit noch PCT genießen, wovon ich gedanklich noch träume... ;)
Bis dahin, sei ganz herzlich gegrüßt und in Gedanken umärmelt, ich wünsche dir noch eine ganz besondere Zeit und ein gutes und glückliches Ankommen...in diesem Sinne, "Happy Trail", toi toi toi,
Herzlichst, Kathrin
25. Oktober 2022 – PCT-Sehnsucht
Als ich mich mit dem PCT zu beschäftigen begann, las ich auch viel über die Motivation, warum man eine solche Fernwanderung beginnt. Das reicht von „Ich mache das, weil ich es kann“ über „Mein Leben braucht einen Tapetenwechsel“ bis „Ich wurde überredet, mitzukommen“ zum Beispiel. Weitaus weniger liest man dann schon über die Gründe, warum Menschen nach einer gewissen Zeit abgebrochen haben. Meist sind es dann körperliche Gründe. Eine Verzerrung oder eine nachhaltige Sehnenentzündung konnte nicht innerhalb der wenigen Ruhezeit, die einem im Rahmen der Gesamtdauer zur Verfügung steht, ausgeheilt werden. Oder der Rücken schmerzte so sehr, dass ein Weitermachen unmöglich wurde. Doch ich las auch darüber, dass die monatelange Monotonie des Wanderlebens ein Grund für den Abbruch sein kann. Jeden Morgen aufstehen, Zelt abbauen, 10-12 Stunden gehen und dann wieder das Zelt aufbauen – mit keiner anderen Ablenkung als nur dem Weg und der Landschaft. Das kann für den ein oder anderen langweilig werden.
Ich höre es, doch so bin ich nicht. Mir war auf dem ganzen PCT niemals langweilig. Ich musste mich nicht jeden Morgen von neuem motivieren, um weiter zu gehen. Für mich war jeder neue Tag auch ein Tag voller neuer Erfahrungen und Eindrücke. Und da der PCT anders wie der Nordteil des Te Araroa nur sehr selten Strassen entlang führt, kam auch keine Monotonie einer Landstrasse auf. Die Wegführung vermeidet sogar regelrecht Straßen und breite Wege.
Und nun, da ich seit drei Wochen in "mein Leben vor dem PCT" zurückgekehrt bin….fällt es mir schwer, mich darin wieder wohl zu fühlen. Wenn ich Jemand neugieriges von meinen Erlebnissen erzähle – und es gibt davon nicht wenige Menschen – dann tauche ich sofort wieder ein ins Trail-Leben. Wenn ich die Augen abends schließe, bin ich wieder in meinem Zelt. Ganz besonders schlimm wird es, wenn ich die Bilder anschaue, die ich gemacht habe. Dann wird die Sehnsucht PCT übermächtig und ich wünsche mich sofort wieder auf den Trail. Spätestens der Pacific Crest Trail hat mir ganz deutlich klar gemacht, dass mein Leben ein neues Ziel hat: Weitwanderungen!
Es fällt mir merklich schwer, mich wieder mit dem „Alltagsleben“ zu arrangieren. Sogar die Wanderungen der letzten Tage sind irgendwie…langweilig. Was sind schon sieben, acht oder 10 Kilometer gegenüber dem Rausch an Bildern und körperlichen Gefühlen bei einer Wanderung von dreißig oder vierzig Kilometer, bei denen man womöglich zwei Pässe überschritten hat mit den sich neu eröffnenden Weitblicken. Mit rauen Felsen unter den Füßen, weichem Gras oder kräftezehrendem Sand als Belag. Mit Sturmwind auf der einen Seite des Berges und Stille auf der anderen Seite….
Ich möchte wieder zurück auf den PCT 😉
Rückblick 1 - der PCT ist gefährlich!
Ein Freund machte mich darauf aufmerksam, dass in keinem der Filme und auf keinem der Fotos die Gefährlichkeit des Pacific Crest Trails so richtig raus kommt. Dabei gilt der PCT als einer der gefährlichsten Weitwanderwege. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Wenn es gefährlich wurde, habe ich nicht gefilmt oder fotografiert, sondern mich auf den Weg konzentriert. Denn auch jetzt im Rückblick kann ich mich an keine Weitwanderung erinnern, die so viele Gefahren beinhaltete wie der PCT. Noch nicht einmal der durch den katastrophalen Sommer so anspruchsvolle Te Araroa in Neuseeland oder die verregnete Querung der Lofoten.
Ich kann die Aussage über den PCT daher nur bestätigen: Es ging sehr oft rechts oder links oder auf beiden Seiten tief hinab, der Weg war oft steil, rutschig und wenn auch immer gut ausgetreten nicht ungefährlich. Und in den Schneegebieten kann der PCT sowieso von Jahr zu Jahr ganz unterschiedlich sein - das Jahr 2022 war für die meisten PCT´ler ein eher freundliches Jahr und es kam meines Wissens keiner durch einen Sturz ums Leben.
Früher erschien mir die USA immer als "zu groß, zu erschlagend in seiner Vielfalt und Größe". Deswegen wollte ich nicht dorthin. Doch fünfeinhalb Monate zu Fuß auf dem PCT hat Amerika kleiner gemacht. Die Welt für den Hiker schrumpft zusammen auf das Tägliche, den kleinen Raum um ihn herum und die wenigen Bedürfnisse, die es gilt zu befriedigen. Dabei bleibt die Landschaft weit und offen. Das große Amerika wird einem so in kleinen, täglichen Happen serviert, die viel leichter zu überschauen sind.
Eine recht klare Trennung würde ich ziehen zwischen den jungen Leuten, die den PCT manchmal sogar recht unbedarft als "großes Abenteuer" angehen. Die mangelnde Lebenserfahrung und der junge Körper gleichen aus, was ihnen vielleicht an anderer Stelle fehlt. Auf jeden Fall gab es viel, viel mehr Wandergruppen (Trail Families) bei den jungen Hikern. Und ihr Ziel war oft eher der nächste gemeinsame Abend, der nächste Resupply in einer Stadt, das nächste Abenteuer. Wobei 2022 nahezu die gesamte Zeit die Waldbrandgefahr-Warnung auf "rot" stand, was abendliche Lagerfeuerrunden auf ein absolutes Minimum reduzierte. Und wer dennoch draußen aushielt, der wurde spätestens nach der High Sierra und in Oregon von den Mosquitos abends in die Zelte getrieben.
Die älteren Hiker waren überwiegend eher alleine unterwegs und man traf sich eben eventuell abends im gleichen Campground. Wobei sich die Erfahrungen mit der Trailfamily genauso wie das Verhältnis zum Wanderweg insgesamt über die Wochen und Monate wandelt. Was anfangs noch störte, beeinträchtigte oder unangenehm war, verliert überwiegend mit zunehmender Zeit seine Bedeutung. Auch weil Gewohnheiten aus dem eigenen Alltagsleben mehr und mehr in den Hintergrund treten.
Ohne vorheriges Training hätte ich die Wanderung jedoch nicht geschafft. Selbst mit meiner mehrjährigen Erfahrung auf Weitwanderwegen ist der PCT nochmals eine andere Klasse, die einfach körperliche und mentale Fitness erfordert, die nicht durch ein paar "Tageswanderungen am Wochenende" zu erreichen ist. Denn darauf zu hoffen, dass der Trainingseffekt sich in den ersten Wochen des PCT ergibt, ist in meinem Alter eher Selbstüberschätzung. Mal sehen, ob es noch eine weitere Nichtamerikanerin in diesem Jahr in meiner Altersgruppe geschafft hat, den PCT durchzuwandern - die Liste der Thruhiker ist hier zu finden:
https://www.pcta.org/discover-the-trail/thru-hiking-long-distance-hiking/2600-miler-list/
***
Rückblick 2 - von wegen Urlaub
Für die meisten Mitmenschen ist eine Wanderung von über 4000 km Länge etwas, was man sich nur vage vorstellen kann. Und das ist auch okay so, denn erst die Erfahrungen, die wir im Leben so machen, helfen uns, einen Umstand durch Vergleich mit den eigenen Erfahrungen einzuordnen. Und wer hat schon diese Erfahrung? Viele Tausende weltweit sammeln sie jedes Jahr auf den unterschiedlichsten Fernwanderwegen und doch ist das nur ein verschwindend geringer Anteil.
Insofern gab es schon die ein oder andere geäußerte….nennen wir es mal „Vermutung“, das der Urlaub wohl schön gewesen ist. Also das mit dem „schön“ bestätige ich gerne, aber Urlaub – nein, so kann man eine Fernwanderung nicht bezeichnen.
Bei mir waren die erste zwei, drei Wochen noch so etwas wie Urlaub, weil ich durch mein Training zu Hause schon in diesem Rhythmus drin war und dementsprechend wenig die Belastung des PCT spürte. Doch wenn man jeden Tag acht, zehn oder gar zwölf Stunden unterwegs ist, bis zu 2.000 Höhenmeter an einem Tag bewältigt oder jeden Tag immer wieder deutlich über 30 km wandert, dann ist das eher Schwerarbeit. Und dies durchzuhalten erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Leidensfähigkeit. Glücklich, wer jeden Tag von Neuem Gründe findet, weiter zu machen, wer sich die Freude erhält, auch am nächsten Morgen mit Vorfreude auf den Tag sich wieder aus dem Schlafsack zu quälen und den schweren Rucksack zu buckeln. Und dies nicht für zwei oder drei Wochen wie z.B. bei einer Alpendurchquerung, sondern eine viel längere Zeit.
Insofern war der PCT-Trail eine wunderschöne Zeit, jedoch keinesfalls nur Urlaub. Eher waren die Tage am Howe Sound in Canada nach dem Trail so etwas wie Urlaub vom Trail.
Bewusst wurde mir der Anspruch des Pacific Crest Trails an den Hiker nicht nur durch die körperliche Herausforderung. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, tagelang mit meinen eigenen Gedanken unterwegs zu sein. Denn normalerweise hat man ja beim Wandern alleine viel Zeit zum Nachdenken, was für manche durchaus auch ein Grund ist, es zu lassen. Doch der Weg und die tägliche Routine erfordert so viel Aufmerksamkeit und Konzentration, dass diese „freie Gedankenzeit“ sich gar nicht recht einstellen wollte. Neben dem reinen Gehen beschäftigen einen eher Gedanken darüber, wo die nächste Wasserstelle ist und wie die Wasserqualität da wohl ist. Wohin man als nächstes kommt und wie man einen Re-Supply organisiert bekommt. Wo überhaupt heute Abend der nächste Campground liegt und ob das Essen bis zur nächsten Verproviantierung reicht.
***
Erkenntnis, dass das Wanderleben weniger kompliziert ist wie der „gewohnte Alltag“ danach
Zwei Wochen und ich träume immer noch von dem Alltag auf dem PCT. Es ist ja nicht die erste Fernwanderung gewesen, aber noch nie war ich so lange unterwegs wie auf dem PCT. Ich merke, wie tief sich die Routine des Wanderalltages in mein Unterbewusstsein eingegraben hat. Dazu kommt, dass diese ersten Tage nach dem PCT auch noch angefüllt sind von vielen Aufgaben, Verpflichtungen und zu organisierenden Dingen. Die Heizung muß repariert werden, Bekannte und Verwandte wollen mich wieder zurück begrüßen, liegengebliebener Schriftverkehr aus sechs Monaten wartet auf die Abarbeitung, die zum Teil schlimmen Nachrichten aus aller Welt, die ich jetzt wieder höre, ich werde bald Oma, bin zurück in der Arbeit, wo viele schon wieder wegen Corona fehlen und, und, und….
Nicht nur manchmal erinnere ich mich mit Wehmut an das „einfache Leben“ auf dem Trail. Da gab es die Sorge um die nächste Wasserstelle, wo ist der nächste Nachtplatz, das ständige Aufpassen, dass man nicht stürzt, das Wetter für den nächsten Tag, ausreichend Essen im Rucksack, wie ist der Wasserstand der Flüsse und sind die Brücken heile. Mehr nicht!
An zwei kleinen, eigentlich banalen Beispielen will ich den doch erstaunlich schwierigen Übergang zurück ins „normale“ Leben aufzeigen – wobei sich für mich schon die Frage stellt, was denn das „normalere“ Leben ist: auf Reisen sein oder hier im Alltag.
Als ich das erste Mal mir, wieder zu Hause, einen Kaffee machen wollte, stellte ich mit leisem Schauern fest, dass ich vor eine Wahl gestellt wurde. Über die Jahre haben sich etliche Kaffeetassen angesammelt, die alle einen Erinnerungswert haben. Die vergangenen sechs Monate hatte ich genau einen Becher, um darin Kaffee herzustellen. Da gab es keine „Qual der Wahl“, was das Ganze deutlich einfacher machte. Und obwohl ich normalerweise wirklich viel Kaffee trinke, habe ich auf dem Trail gelernt, dass Kaffee in seiner Bedeutung überschätzt wird: Es geht auch mal ein paar Tage ohne! Ganz ohne Qual der Wahl, weil es gar keine Wahl gab.
Das andere Beispiel ist täglich wechselnde Kleidung. Das wird auch kolossal überschätzt. Wenn du alles selbst tragen muß, hast du keinen Kleiderschrank mit dabei. Und um ehrlich zu sein: Inzwischen habe ich über 5 Monate mit dem immer gleichen Schlüpfer eine wahrhaft intime Beziehung aufgebaut 😂. Dieser Schlübber darf jetzt allerdings in den Ruhestand gehen. Ich überlege, wie lange ich brauchen werde, um alle Verwandten von Schlübber hier im Kleiderschrank aufzutragen…..
Wenn du nur eine Garnitur Kleidung hast, die dich nach dem Zwiebelprinzip zwischen Wüstenhitze und Bergeskälte schützt, hast du auch dabei keine Qual der Wahl. Du hast für dein tägliches Wanderleben einfach nur das, was du dabei hast.
Trail-Leben bedeutet eben häufig, gar keine Wahl zu haben, ohne dass dies als Mangel empfunden wird. Man lernt mit dem auszukommen, was man hat, ohne darüber nachzudenken, was es alles gäbe.
***
Rückblick 3 - Irrtum Trailleben kostet wenig
Wenn ich gegen Ende des PCT im Norden Washingtons an die heruntergekommenen Gestalten denke, wenn ich mich an die oft kärglichen und sehr einfachen Mahlzeiten erinnere, die wir unterwegs hatten, dann könnte jemand von außen vermuten: dieses Trailleben muß doch unglaublich günstig sein.
Und ja, wir haben weder Heizkosten noch groß Verbrauch an elektrischem Strom. Auf dem Trail fallen auch kaum Übernachtungskosten im Zelt an. Doch das ist ja nur ein Aspekt des PCT. Denn nach Tagen der Wanderung durch die Einsamkeit der Natur kommt man ja irgendwann wieder zurück in die „Zivilisation“. Dann muß man sich wieder verproviantieren, muss man irgendwie übernachten, möchte auch mal wieder eine richtige Mahlzeit zu sich nehmen, Wäsche waschen und defekte Ausrüstungsgegenstände ersetzen.
In diesen Momenten kann man dann allerdings richtig viel Geld loswerden, denn eher selten kann man sich günstig in einem Supermarkt eindecken, sondern muß nehmen, was in erreichbarer Entfernung ist. Auch die Campgrounds wissen, dass man als Hiker kaum Alternativen hat, ohne damit sagen zu wollen, dass man speziell ausgenutzt wird. Es ist schlichtweg einfach teuer in den USA, vor allem in 2022, wo die Preisteuerung besonders stark angestiegen ist.
Natürlich sind meine hier angegebenen Werte leicht zu über- und unterbieten. Wer es schafft, kann von den Hikerboxen und den darin enthaltenen Zippbeuteln mit bisweilen mystischen bis Mut erfordernden Inhalt leben und wer es komfortabler haben möchte, kann viel mehr ausgeben.
Als Daumenwert kann man folgendes sagen:
Ein Resupply-Tag mit
- Einkauf für eine Woche Wildniswandern
- Ein paar Sachen ersetzen, die verschleißen (z.B. auch 4-5 Paar Schuhe)
- Eine Übernachtung (um Geld zu sparen, kann man sich die Zimmer oft mit zwei bis vier Hikern teilen)
- Gutes Abendessen und Frühstück (Gutes Essen ist nicht Fast Food, sondern Vitamine und andere gesunde Bestandteile)
kostet ca. 500-600 EUR.
Zimmer kosteten eigentlich immer deutlich über 100, eher 150…200 Dollar, selbst Campingplätze verlangen 30…50 Dollar pro Nacht.
Noch weiß ich nicht genau, wie viel mich das ganze Abenteuer „PCT“ gekostet hat, aber auf jeden Fall viel mehr, wie wenn ich in meinem warmen, bequemen zu Hause geblieben wäre.
Die Schätzungen mit 6.000…8.000 EUR sind jedenfalls nicht falsch oder übertrieben, denn neben dem Flug selbst fallen etliche weitere Kosten an.
Anmerkung: Die Hikerboxen sind bisweilen ein erstaunlich reichhaltiger Fundus an Dingen, die andere Hiker nicht mehr brauchen oder nicht mitschleppen wollen. Vor allem sind das eben Lebensmittel, die als Depot voraus geschickt werden an ein Postamt nah des Trails.
Manche der Postämter können im Laufe des PCT-Halbjahrs irgendwann nicht mehr angesteuert werden, weil z.B. ein Waldbrand eine Umfahrung erzwingt. Ich frage mich, was mit all den Paketen passiert, die dann dort nicht abgeholt werden.
Andernorts ist man hingegen durch die Umfahrung schneller wie gedacht und hat noch Proviant im Rucksack. Der Rest wandert dann in die Hikerbox. Doch nur selten ist das Essen noch original verpackt, denn man richtet sich ja an den Zero-Days bereits die Portionen für die nächsten Tage und Wochen. Und so finden sich dann in den Hikerboxen so manche nicht identifizierbare Essensmischungen in durchsichtigen Plastikbeutel.
Da passierte dann auch mir mal, dass ich eine vermeintlich irgendwie asiatisch aussehende Mischung mit Brühwürfel kochte….und dann feststellen musste, dass es wohl doch eher ein Müsli war.
Rückblick 4 - das Wetter und die Schuhe
Nicht nur wegen der langen Zeit, die man unterwegs ist, sondern auch wegen der großen Höhenunterschiede (43m üNN bis 4000m üNN) durchquert man alle Klimazonen, die die Westküste der USA zu bieten hat. Es verwundert also nicht, dass man vor allem im Süden unter der Hitze in der Wüste leidet und in der High Sierra, dem Hochgebirge, auch mal das Eis von der Zeltwand abschütteln muß. Das Jahr 2022 war für die meisten Wanderer ein gutes Jahr, denn die Wetterlage war lange Zeit sehr stabil und es gab weder wochenlange Regenschauer noch extrem hohe Temperaturen noch zu viel Schnee in den Hochlagen. Natürlich hängen diese Erfahrungen auch davon ab, wann man startet und wann man ankommt.
Bereits am Anfang der Wanderung nach der mexikanischen Grenze geht es in den San Jacinto und San Bernadino Bergen so weit hinauf, dass in manchen Jahren noch bis in den Frühsommer der Schnee liegt. Da der Pacific Crest Trail nahezu durchgehend ein Wanderpfad und kein Wanderweg ist, verliert man bei einer geschlossenen Schneedecke schnell die Orientierung – auch wenn freiwillige Helfer schon früh am Jahr den Weg und seinen Verlauf überprüfen und ihre Ergebnisse auf dem PCTA Portal veröffentlichen.
Nach den Bergen geht es nach Wrightwood und Aqua Dulce endgültig in die Mojave Wüste hinein. Hier kann es für mehrere Wandertage lang erbarmungslos heiß sein. Die Wasserversorgung durch die Trail Angle macht diesen Streckenabschnitt überhaupt begehbar – und die immer wärmeren Sommer werden das Problem eher noch verstärken.
Die High Sierra ab Kennedy Meadows wartet dagegen mit der Möglichkeit auf, dass die Schneeschmelze noch gar nicht eingesetzt hat….oder aber so in vollem Gange ist, dass manche Bäche nur schwer zu passieren sind. Denn bei weitem nicht bei allen Bächen helfen Brücken bei der Überquerung (auch wenn es dramatisch besser ist wie auf dem Te Araroa in Neuseeland – der jedoch als Fernwanderweg auch noch viel jünger ist).
Deprimierend kann sein, wenn es tagelang regnet und weder Zelt, Schlafsack und Kleidung richtig trocknen können. Da der PCT Wanderpfad sehr häufig auf 1.000 m Höhe und mehr entlang läuft, kann es noch dazu kalt werden und Abschnitte des Weges durch Schlamm und Geröll verschüttet werden. Auch das langwachsende, tropfnasse Gras am Pfadrand kann in Regenperioden sehr nervig sein. Vor allem ist tagelanger Regen jedoch eine Belastung für das Gemüt – 2022 hatte ich nur ganz, ganz wenige Regentage, doch das ist nicht immer so! Also nicht von den „Schönwetterfotos“ täuschen lassen 😉
Bezüglich Schuhe
Ich wurde und werde oft gefragt, warum ich mit Halbschuhen so lange Strecken und mit schwerem Rucksack wandere. Die Antwort ist relativ leicht: Erstens sind es nicht „nur“ Halbschuhe, sondern spezialisierte Schuhe für Trailrunning (also für das Rennen über Pfade und Gelände), die im Neuzustand auch Führung und Stabilität bieten. Viel wichtiger ist aber der Umstand, dass sie leicht sind. Viel leichter wie die vermeintlich besseren Bergwanderstiefel. Wenn man jeden Tag mindestens 50.000 mal die Füße anheben muß, dann merkt man sehr schnell, dass schwere Schuhe einen entscheidenden Nachteil haben. Darum sind auch weit über 95% aller Fernwanderer auf dem PCT mit solchen und ähnlichen Schuhen unterwegs – zumindest die, die auch noch nach der High Sierra mit dabei sind.
Natürlich bekommt man in so niedrigen Schuhen sehr schnell nasse Füße und man knickt leichter um. Gegen die nassen Füße habe ich wasserdichte Socken dabeigehabt. Keine Ideallösung und nicht für jeden geeignet. Aber immer dann, wenn es absehbar war, dass ich mir nasse Füße holen werde und Schuhe und Socken lange nicht trocknen werden, habe ich diese wasserdichten Socken angezogen. Vor allem, weil ich in dem total verregneten Sommer auf dem Fernwanderwerg Te Araroa in Neuseeland gelernt habe, wie unangenehm nasse Füße sind (bei dem Gedanken daran meldet sich unwillkürlich meine Blase).
Hinsichtlich Umknicken kann ich das natürlich nur bestätigen, dass diese Gefahr mit solchen Schuhen höher ist. Aber im Laufe der Wanderung lernt man damit umzugehen und die Sehnen und Muskeln werden entsprechend gestärkt. Es bleibt ein Kompromiss, der jedoch zugunsten leichterer Schuhe ausgeht. Ein wichtiges Utensil sind eindeutig die Gaiters, die Kurz-Gamaschen. Sie helfen gegen Staub, Sand, Schnee und Feuchtigkeit – nicht perfekt aber doch soviel mehr wie ohne, so dass sie eigentlich unentbehrlich sind.
Wirklich belastend waren in 2022 die zahllosen umgestürzten Bäume. Die zwei Corona-Jahre und die großen Feuersbrünste des Vorjahres haben dazu geführt, dass ganze Streckenabschnitte des PCT-Pfades durch umgeworfene Bäume versperrt waren. Sie immer wieder zu überklettern oder um sie herum zu gehen war insbesondere in den steilen Hanglagen sehr beschwerlich und mühsam. Ich bin sehr dankbar, dass ich das nur wenige Male bei Nässe machen musste.
Am Ende habe ich - recht sparsam gegenüber anderen PCT Thru-Hikern - "nur" vier Paar Schuhe verschleißt. Allerdings waren die dann jeweils auch wirklich am Ende, obwohl ich auch Schuhe in noch schlimmeren Zustand an den Füßen anderer Wanderer gesehen habe. Doch auch das gehört zu den Kosten, die man einberechnen muß in seine Budget-Planung!
Was habe ich gelernt aus dem PCT?
Sorge dafür, dass es Menschen gibt, die dich den ganzen Trail lang aus der Ferne begleiten. Die wissen, wann du an einem bestimmten Punkt ankommen solltest. Das schafft Vertrauen. Und ein Telefonat zur rechten Zeit hilft, einen toten Punkt zu überwinden, an dem man vergessen hat, weswegen man sich überhaupt den Strapazen dieser Weitwanderung ausgesetzt hat.
Egal, mit wem man die Wanderung startet, man wird immer wieder neue Mitwanderer finden. Der eigene Wanderstil bringt es mit sich, dass man immer wieder neue Mitwanderer findet. Es fällt bisweilen schwer, jemanden nach einhundert oder zweihundert Kilometern wieder zu verlassen. Aber jedes Goodbye ermöglicht ein neues Hello!
Alleine unterwegs zu sein und alleine zu campen kann angsteinflößend sein. Deswegen sollte man das im heimischen Revier vorher ausprobieren. So alleine mit sich selbst zu sein kann belastend wirken. Doch mit der Zeit findet man heraus, was für einen gut ist und was nicht. Dies vor der ersten großen Wanderung heraus zu finden kann helfen, die Angst der ersten Nächte alleine zu vermeiden. Bei Wanderungen im Hinterland hilft auch ein Satteliten-Kommunikationsmittel, um notfalls Hilfe zu rufen, wenn kein Mobilfunknetz erreichbar ist. Das gibt ein Gefühl von Sicherheit, wenn es mal schwieriger wird.
So erstaunlich es klingen mag, aber neben der Gefahr, zu wenig zu trinken, kann man es auch übertreiben. Besonders an heißen Tagen trinkt man viel Wasser – dabei werden massiv die Elektrolyte aus dem Körper. Die Folge ist eine Verdünnung des Natriumgehalts im Blut. Es kann zu Gleichgewichtsstörungen kommen, Kopfschmerzen, Erbrechen, Krämpfe und im schlimmsten Fall sogar zu einem Hirnödem. Im Bereich zwischen 2-3 Liter liegt der ungefährliche Bereich bei körperlicher Bewegung, in der Wüste ggf. etwas höher. Man kann durch Gabe von Elektrolyten diesem Effekt entgegen wirken (im simpelsten Fall durch Kochsalz).
Es ist okay, wenn man ans Aufgeben denkt. Der Weg fordert einen, wahrscheinlich plagen einen Rückenschmerzen oder die Füße wollen tagelang nicht mehr trocknen, weil das Wetter umgeschlagen ist. Der Tipp einer Wanderin dazu: Schlafe eine Nacht darüber, lege einen Zero-Day ein und gebe dir eine Woche, in der du weiter nach Norden läufst. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich die Stimmung wieder aufheitern und der Tiefpunkt wird überwunden sein. Es ist normal, dass man an solch einem Punkt ankommt – sich dann durchzubeißen fällt einem nach der dritten oder vierten Weitwanderung leichter, denn man kann sich selbst viel besser vertrauen.
Wenn du alleine unterwegs bist und eine Situation flösst dir Angst ein, dann warte darauf, dass andere Wanderer vorbeikommen. Sprich mit ihnen über deine Angst. Kaum jemand wird dir die Hilfe verweigern, die gefährliche Passage des Weges mit dir zusammen zu gehen. Über die Angst zu sprechen hilft sie zu überwinden.
Lasse keine Hiker Box aus. Sie sind Schatzkammern und Tauschbörsen. Was du nicht brauchst, kann jemand anderem weiterhelfen – und umgekehrt. Sie sind auch eine Versorgungsstation, wo kein Laden in der Nähe ist.
Genieße den Weg. Er wird schneller zu Ende sein wie du es dir wünschen wirst, wenn du am Ziel ankommst.
Wenn du erschöpft bis, mache eine Pause, wenn du hungrig bist, mach dir etwas zu essen. Du unternimmst diese Wanderung auch, um die Ruhe, die Entschleunigung vom Alltag zu erleben – nimm dir die Zeit dafür, auch wenn der Weg lang ist. Genieße die Natur, wenn sie besonders schön ist – du kannst die Zeit auf einer anderen Strecke wieder heraus holen, wo es nicht so schön ist.
Plane nicht mit der Höchstzahl an Kilometern pro Tag, denn du wirst Zero-Days benötigen. Auch werden Anstiege, Schlechtwetter und Schnee deinen Tagesschnitt drücken. Es kann auch sein, dass man einige Tage ausfällt wegen einer Verletzung. Ein guter Wert sind etwa 30 Zero oder Nero (Near Zero) Days. Die Durchschnittslänge eines Wandertages sollte bei etwa 28-32 km liegen. Mehr ist Quälerei und verringert die Freude am Weg, weniger wird dafür womöglich dafür sorgen, dass du dein Ziel nicht rechzeitig erreichst.
Rückblick 5: Langstreckenwandern auf dem PCT ist anders wie auf vielen Europäischen Fernwanderwegen - Thema Übernachten und Rucksack
Auch wenn ich diese Behauptung keinesfalls mit vielen eigenen Erlebnissen untermauern kann, erscheint mir dennoch ein wichtiger Unterschied erwähnenswert: Während man vor allem in Zentraleuropa eher in einem dicht besiedelten Gebiet unterwegs ist und streckenweise sogar regelmäßig in Herbergen und Hotels übernachten kann/könnte, ist man auf dem PCT (und den beiden anderen Crown-Trails) doch sehr häufig in der Wildnis. Es gibt keine (bewirteten) Hütten, keine Campingplätze mit Dusche, WC und Waschmaschine, noch nicht einmal Shelters wie in Neuseeland. Was man meint, als „Dach über dem Kopf“ dabei haben zu müssen, das muss man auch mit sich herumtragen.
Die ganz Extremen kommen mit dem Cowboy-Camping aus (Übernachten ohne Zelt oder anderen Schutz als den Schlafsack), was aber bei Regen…
Dann gibt es die, die nur mit einem Tarp unterwegs sind, weil so eine Plane natürlich sehr leicht ist. Zwei Wanderstöcke, zwei Heringe und zwei Abspannseile, schon kann man unter der schräg abgespannten Folie liegen und ist selbst bei Regen geschützt. Aber ansonsten bietet so ein Tarp keinen Schutz – insbesondere nicht vor den Mücken. Und die können schon beim Wandern sehr nervig sein, beim Schlafen stören sie definitiv. Deswegen gab es bei den Tarp-Wanderern, mit denen ich Kontakt hatte, auch etliche, die irgendwann dann doch mit einem Zelt daherkamen. Und natürlich gibt es diejenigen, die sowas wie ein Zweimannzelt mit sich herumschleppten. Das ist dann einfach eine Frage des Gewichtes, das man bereit ist zu tragen und das man auch bis zum Ende tragen kann. Auch da gab es einige Wechsel im Laufe des PCT.
Ganz und gar nicht unterschätzen sollte man den Rucksack. Für Langstreckenwanderungen kann man es eigentlich vergessen, sich einen 60, 80 oder gar 100 Liter Rucksack mit allem an Komfort zu kaufen, was es so zu kaufen gibt. Denn das kostet alles Gewicht! Auf der anderen Seite sind minimalistische, also leichte Rucksäcke natürlich nicht freundlich zu Schultern, Hüftknochen und dem Rücken. Im Laufe der Monate habe ich bei meinen Mitwanderern die unglaublichsten „Aufpolsterungen“ gesehen. Da wurde die Isomatte zum Daraufschlafen zerschnitten und als Polsterung genutzt. Auch ich habe mir weiche Schweißbänder gekauft und sie immer wieder an einer anderen Stelle angebracht, wo es zu Scheuern begann. Gewebeklebeband sei dank ist das ja auch bei mehrfachem Wechsel möglich. Kaum jemand war in Washington frei von solchen Scheuerstellen vom Rucksack – weil die meisten, die so weit gekommen waren, minimalistische und deswegen wenig komfortable Rucksäcke hatten.
Zurück nach Europa und den Europäischen Fernwanderwegen. Klammert man mal solche Strecken wie quer durch Schweden, Finnland und Norwegen oder manche Strecken in Osteuropa aus, so kommt man erheblich häufiger durch Ortschaften und hat die Möglichkeit, sich dort eine Unterkunft zu suchen oder zumindest einzukaufen. Selbst Erfahrungen auf einer Alpenkamm-Überquerung sind nicht vergleichbar, denn in der High Sierra ist man für mehrere Wochen inmitten des Hochgebirges, nicht nur wenige Tage wie in den Alpen.
Aber ich möchte es nochmals betonen: Europäische Wanderwege habe ich noch nicht so viele begangen, sondern sie bei meinen im Vergleich eher kurzen Wanderungen der letzten Jahre nur berührt. Immerhin hat der E4 mit rund 10.400 km Länge und einer Querung durch den ganzen Alpenkamm durchaus nochmals ein anderes Format wie der PCT. Er führt von Gibraltar über Spanien und längs des Alpenkamms nach Ungarn und Rumänien und dann durch Griechenland hindurch schließlich bis nach Zypern. Allerdings werden diese Wege nicht im gleichen Maße instandgehalten wie der PCT!