Wandertagebuch PCT - September 2022
In der Rubrik "Rückblick" erzähle ich über meine Erkenntnisse, Gedanken und Erinnerungen
5. Oktober 2022 - Noch nicht wirklich wieder im Alltag angekommen
Ihr kennt das ja alle gewiss: Man kommt aus seinem ein-, zwei- oder gar dreiwöchigen Urlaub zurück und hat viel erlebt. Doch sehr schnell wird im Alltag klar: Im Alltag hat sich nichts Wesentliches geändert. Man meint, da müsse doch auch "zu Hause" oder in "der Firma" sich was getan haben, aber dort ist der Alltag halt einfach weiter gegangen.
Nach sechs Monaten ist das natürlich schon etwas anders. Die Änderungen sind zum Teil nicht nur marginal, sondern schon bewusst wahrnehmbar. Dennoch....es ist fast gruselig, wie schnell sich "Alltag" wieder einschleicht. Die Heizung muckt mal wieder, das Auto springt erfreulicherweise sofort wieder an (dank einer freundlichen Seele, die während meiner Abwesenheit sich um das Haus gekümmert hat), der Kühlschrank ist nach der ersten Einkaufsrunde wieder gefüllt und ich war sogar schon wieder bei der Diakonie - ein neues Programm erlernen, bevor mein Dienst wirklich wieder beginnt. Aber der Rhythmus des PCT steckt noch im Unterbewusstsein und der "Überfluß" hier ist noch ungewohnt im Vergleich zu dem absoluten Minimum, das man auf dem Trail dabei und zur Verfügung hatte.
Meinen Geburtstag habe ich im Kreise der Familie gefeiert und da habe ich schon gemerkt, dass es gut tat, wieder zurück zu sein. So schön die Ferne ist, aber dieser eine Punkt, an dem man weiß, dass er wirklich "zu Hause" bedeutet, ist halt auch schön.
Hier sind noch zwei kleine Filme - von den Wanderungen am Howe Sound und den letzten Tagen in Vancouver. Irgendwann im Winter werde ich dann anfangen, einen Vortrag zu erstellen über die PCT-Class 2022....meine Erlebnsse auf dem PCT zusammen mit allen anderen Wanderen im Jahre 2022. Denn nächstes Jahr wird es die PCT-Class 2023 gewiss wieder geben und ich werde ....leider.... nicht dabei sein können.
30. September 2022 - Wieder zu Hause
Nach ingesamt 14 Stunden Flug und Aufenthalte bin ich wieder in Frankfurt gelandet. Der Hitch, der mich von dort nach Wiesloch brachte, war ein sehr willkommener - und ein herzlicher obendrein.
Nun bin ich nach einer leckeren Mahlzeit schließlich in Schönbrunn angekommen und freue mich - zugegebenermaßen - auf mein Bett. Das war doch insgesamt anstrengend und richtig schlafen konnte ich im Flieger nicht.
So geht nun für mich das große Abenteuer Pacific Crest Trail 2022 zunächst zu Ende. Allerdings werde ich in den nächsten Tagen und Wochen sehr viel zu erzählen haben. Und damit kommen die Erinnerungen an die Strapazen, die Höhepunkte, die Zweifel, die Schmerzen und die einmaligen Momente, Sonnenuntergänge und einsame Zeltplätze garantiert das ein oder andere Mal wieder ganz intensiv empor.
29. September 2022 - Die letzten Bilder aus Vancouver und heute dann Flughafen
Leider hat es nicht geklappt. der Rucksack ging dieses Mal nicht als Handgepäck durch - die Wanderstöcke wollte ich deswegen aber nicht zurück lassen. Jetzt hoffe ich nur, sie finden bei dem einstündigen Aufenthalt in Toronto den richtigen Weg ins Flugzeug nach Lissabon. Dort haben sie immerhin drei Stunden Zeit, meinen wertvollen, mit Erinnerungsstücken vollen Rucksack nach Frankfurt zu verbringen. Mein älterer Sohn holt mich dann ab und morgen werde ich dann hoffentlich glücklich und gesund wieder in Schönbrunn landen.
Leider ist der Flieger echt voll und ich sitze als Leichtgewicht zwischen zwei Schwergewichten eingeklemmt.
26. September 2022 - Squamish und zuletzt nun wieder Vancouver
Die letzten Tage waren nochmals angefüllt mit ein paar Touren. Tagestouren nur und auch zu Zielen, die viele Touristen ebenfalls gewählt haben. Aber nach den Monaten der Einsamkeit - denn unter Tage sind die meisten Hiker eher für sich unterwegs, denn jeder hat einen anderen Rhythmus - ist das okay für mich.
Von der Porteau Cove hatte ich ja die Wahl, entweder mit Michael wieder zurück nach Vancouver zu fahren….oder aber, das hatte er angeboten, er bringt mich nach Squamish am oberen Ende des Howe Sund. Da es dort ein paar interessante Touren noch gab, habe ich das Angebot gerne angenommen. Drei schöne Tage bei Sonne und interessanten Begegnungen und spannenden Wegen habe ich dort zugebracht. Das Wetter verwöhnt mich noch immer mit blauen Sonnentagen.
Seit 26. September bin ich nun in Vancouver. Die letzten drei Tage verbringe ich in einem netten Zimmer, dass mir mein Sohn über AirBNB gebucht hat. Die chinesische Familie ist nett und das Zimmer okay. Am 29. September geht der Flieger nach Toronto und wenige Stunden später sitze ich im Flieger über den großen Teich.
So richtig abschließen kann ich im Moment noch nicht. Doch ich bin einfach froh, dass ich diesen Traum, von dem ich zunächst nicht gedacht hätte, dass er wahr wird, habe so gut und nun wieder ganz gesund erleben können. Ich bin auch stolz, dass ich trotz der gewiss 120.000 Höhenmeter und zahllosen Meilen es geschafft habe, aus eigener Kraft - so weit, wie es möglich war - den PCT gewandert bin. Unvergessen die Stunden im Krankenlager in Oregon, als mich Covid-19 so sehr zurückgeworfen hatte. Es fühle sich an, als würde dieser Körper sehr lange nicht mehr diese Strapazen auf sich nehmen können. Diese Mattigkeit, diese unfassbare Müdigkeit und Erschöpfung. Und dann doch wieder auf den PCT und die schönsten Strecken doch noch wieder erlebt. Es wird noch lange dauern, bis ich das alles auch richtig verinnerlicht habe, was ich erleben durfte, was mir geschenkt wurde nach einem schon reichen Leben.
22. September 2022 - zu Fuß Richtung Porteau Cove Campground
Es war eine richtig gute Entscheidung, die aufwändige Fahrt aus Vancouver heraus zum Zeltplatz in Porteau Cove bereits in Brunswick Beach abzubrechen. So konnte ich durch den herrlichen Küstenwald unterhalb Mount Harvey wandern und hatte vorgestern am Nachtplatz einen famosen Ausblick auf die vorgelagerten Inseln im Howe Sound.
Gestern folgte ich am Brunswick Mountain einem sehr schön angelegten Wanderweg (Howe Sound Crest Trail) entlang der Seen im Cypress Park. Auch diese Nacht hatte ich einen herrlichen Nachtplatz und konnte ganz hervorragend schlafen. Ich befinde mich wieder da, wo ich mich die letzten fünf Monate wohl gefühlt habe: auf Wanderschaft. Heute komme ich dann am Nachmittag wohl in Porteau Cove an und hoffe sehr, einen Zeltplatz für mein winziges Zelt zu bekommen.
Ein Zugeständnis muß ich allerdings meinem Körper machen. Da ist kein Gramm Fett mehr übrig und dementsprechend auch keine Polsterung zwischen dem heruntergetragenen Rucksackgurt und meinen Knochen. Darum, der Rucksack drückt doch arg und so schön die Landschaft und die vom PCT her gar nicht gewohnte Einsamkeit ist: Es reicht nun langsam!
20. September 2022 - Hin und Her der Gefühle und ein kleiner Rückblick
Nachdem Salty nun abgeflogen ist und ich leider auch nach zwei Tagen Hin und Her meine Freundin nicht besuchen kann und sich auch sonst irgendwie keine Chance noch auf eine längere Wanderung ergeben hat, habe ich mich auf den Weg zum Porteau Cove Campground gemacht. Es ist unglaublich, aber sogar so weit nördlich von Vancouver ist kein freier Zeltplatz zu finden. Es ist alles restlos ausgebucht. Langsam bin ich froh, dass es nicht mehr so lange ist bis zum Rückflug am 29. September. Und freuen tue ich mich natürlich auf meine Familie und das Geburtstagsfest kurz nach der Landung in Frankfurt - denn, ich verrate es Euch, erst dann werde ich wirklich 60 Jahre jung :-)
17. September 2022 -Seattle und dann nach Vancouver
Nach zwei Tagen Erkundung der großen Stadt Seattle war ich doch froh, im Flixbus nach Vancouver zu sitzen. Als Kind der Natur können die vielen Hochhäuser, das dichte Gedränge und der Verkehr auch bedrückend werden. Ausserdem sind die Preise für die Sehenswürdigkeiten echt deftig.
Hier in Vancouver ist es sonniger und das lässt die Stadt auch gleich schöner aussehen. Mit Salty teile ich mir noch bis Dienstag ein Zimmer. Dann fliegt er zurück und ich werde von einem schön gelegenen Campingplatz am Meer noch ein paar schöne Tagestouren mit leichtem Gepäck machen - so mein Plan. Jetzt aber schlafe ich erst einmal - bald wieder mehr von meinen letzten Tagen hier drüben, nun in Canada!
In Seattle passierte noch was Tolles. An unserem letzten Tag in der Unterkunft checkte ein Mitwanderer ein, den wir ganz früh zu Beginn unseres gemeinsamen PCT-Abenteuers kennen lernten: Tom vom Big Bear, wo wir am 22. April das erste Mal zusammenkamen. Was ein schönes Wiedersehen nach so vielen Monaten. Da gab es den Abend über viel gegenseitig zu erzählen! Am nächsten Tag flog er zurück….. Was für ein Zufall also: gleiche Unterkunft in der großen Stadt Seattle, gleicher Tag und vor allem: auch gesehen! Denn wenn hier jeder auf seinem Zimmer ist, sieht man einander nicht mehr.
14. September 2022 - In der Großstadt Seattle
Salty und ich teilen uns ein Zimmer in einer günstigen (und dementsprechenden) Unterkunft, bis er am 16.9. zurück in die Schweiz fliegt. Bis dahin erkunde ich noch ein wenig die riesige Stadt mit ihrer weltberühmten, 184 Meter hohen "Space-Needle".
11. September 2022 - Snoqualmie-Pass und bald Fahrt Richtung Seattle
Inzwischen zerschlägt sich leider auch der Plan, den PCT Richtung Süden noch zu wandern. Neben Sperrungen wegen Wildfiren auf dem Pfad kommen nun auch Sperrungen der Zufahrtsstrassen zum Trailhead dazu. Es könnte also passieren, dass ich mitten im Nirgendwo stecken bleibe, ohne die Möglichkeik, eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Deswegen werde ich übermorgen in Richtung Seattle fahren. Am 29. September geht mein Rückflug - bis dahin möchte ich noch wandern. Allerdings bin ich noch nicht sicher, wo das geht (und ganz ehrlich: zwei Wochen bei den Preisen für ein Zimmer kann und möchte ich mir auch nicht leisten).
Die Menschen hier sind sehr hilfsbereit und haben schon etliche Thruhiker mit nach Westen genommen. Einige haben sogar ihren Flug umgebucht, um nun vorzeitig nach Hause zu reisen. Gestern kamen Salty und ich in eine Restaurant in ein Gespräch mit einem Paar mittleren Alters. Wie fast immer auf dem Trail habe ich Sie auch den QR-Code zu meiner Webseite scannen lassen und habe erzählt, dass ich einen Spendenlauf mache. Und was soll ich sagen: zum Abschied legten sie mir ein Bündel 20 Dollarscheine hin. "Für die Kosten für das Zimmer hier!" Die Menschen sind wirklich so freundlich. Vor wenigen Tagen war mir etwas ähnliches ja schon in Mazama mit dem "Süssigkeitenpaket" der beiden älteren Herrschaften passiert, in dem sich ein 50 Dollar-Schein fand. Unglaublich!
Abends: Zwei Tage habe ich nun damit zugebracht, irgendwie noch ein zusammenhängendes Stück Wanderstrecke zu finden. Die Feuer am Stevenspass haben inzwischen sogar zu Evakuierungen der Anwohner geführt. Der ganze Nordwesten des Waldgebietes zwischen Snoqualmie Pass Richtung Mt. Rainier und Mazama, Winthrop und Stehekin ist in (Rauch)Wolken gehüllt. Die Sicht ist stark reduziert und je nachdem, wie der Wind steht, treibt es die rauchige Luft in Nase und Lunge. Der Highway 2 zwischen Seattle und Leavenworth wurde vorsorglich gesperrt.
Inzwischen berichtet auch die Seattle Times über diese Waldbrände, die dazu führen, dass die Luftqualität hier in den Cascades bis in den ungesunden Bereich reinrutscht. Auch am White Pass brennt es und die Sorge geht um, dass diese Brände der Vorbote sind für massive Änderungen des Klimas mit immer häufigeren Bränden. Das Schlimmste wäre, wenn es zu einem Feuersturm käme, der letztes Jahr die weiten Waldbereiche in Kalifornien zerstört hat, durch die ich zwei Wochen lang gewandert bin.
Also irgendwie soll es nun wohl ein Ende haben und ich kann mich nicht mehr dazu aufraffen, irgendwo noch einmal etliche Tage auf einen Trail zu gehen. In einem fremden Land mit fremden Regeln, einer Sprache, die ich bei weitem nicht gut beherrsche und riesigen Distanzen, die zum Teil nur schwer zu überwinden sind….und abseits des PCT werden vermutlich auch die Trailangel seltener werden. Denn der PCT ist eben jedes Jahr den Sommer über ein Hikerspektakel, auf das sich die Anwohner auch bereits eingestellt haben. Wie es jedoch am PNT wäre – ich weiß es nicht.
Insofern werden Salty und ich nun bald nach Seattle „umsiedeln“, weg vom Qualm und der schlechten Sicht, und dort mal schauen, was noch an Tagestouren eventuell zu machen ist. Und dann hat mir mein Sohn eine bezahlbare Unterkunft in Vancouver gebucht, so dass ich vielleicht doch noch meine Freundin besuchen kann.
Gedanken zu Amerika entlang des PCT: Was mich selbst überrascht hat ist, wie sehr mir dieses Amerika gefallen hat, das ich nun fünf Monate lang kennen lernen durfte. Natürlich ist mir klar, Amerika ist mehr wie der PCT. Doch neben den verschiedenen Klimazonen, den Wüsten, dem Hochgebirge, den endlos wirkenden Wäldern, die ich erwandert habe, sind mir eben auch die Ortschaften, die kleinen Ansiedlungen und die Menschen ans Herz gewachsen. Ich mag diese Bauweise der amerikanischen Städtchen mit ihren Holzhäusern, den Veranden davor und den offenen Gärten. Sie haben oft den Charme von antiquierten Orten, die wir Älteren aus Wild-West-Filmen zu kennen meinen. Ein wenig fühlt man sich um dreissig, vierzug Jahre zurückversetzt, ohne dass es rückständig wirkt. Beschaulich ist wohl eher passend. Auch die Menschen wirken nicht so gehetzt und nehmen sich Zeit für einen. Und vor allem habe ich die Zuvorkommenheit und die Hilfsbereitschaft lieben gelernt. Es gab positive Erlebnisse, die in Deutschland (oder anderen Mitteleuropäischen Staaten) so kaum denkbar sind. Ob es noch immer daran liegt, dass Amerika entstanden ist aus Menschen so vieler unterschiedlicher Nationalitäten?
Auf jeden Fall ist Gastfreundschaft hier ein hohes Gut. Ob das auch ausserhalb des PCT so ist, kann ich nicht beurteilen. Aber entlang des Trails war es so!
10. September 2022 - Leavenworth und zwei Wanderungen
Meine junges deutsches Paar, das mich im Auto mit nach Leavenworth genommen hat, war nun zwei Tage mein Wanderbegleitung. Mit leichtem Gepäck haben wir einen Teil des Enchantment-Trails (Verzauberungsweg, 5-Sterne Wanderung in Washington) und den Icicle River Roundtrail gemacht. Beides sehr schöne Touren und am ersten Tag auch mit traumhaftem Wetter.
Dennoch bin ich etwas unglücklich. Hier werden immer wieder Strecken des PCT wegen Waldbränden gesperrt und irgendwie ist es auch sonst blöd. Überall auf den wenigen Long Distance Trails in Washington braucht man (wie fast überall) ein Permit. Und die sind selbst so spät im Jahr echt rar und schlecht zu bekommen. Noch habe ich fast zwei Wochen und möchte sie nicht sinnlos herumhängen. Aber es ist das Ziel weg, der echte Antrieb.
Im Moment hoffe ich, dass mich die beiden eventuell doch noch nach Mount Rainier mitnehmen. Wir haben uns zwar schon verabschiedet, aber ich habe ihnen geschrieben. Dort könnte ich noch den 86 Meilen Rundweg um den Vulkanberg herum laufen. Ansonsten hänge ich echt etwas in der Luft. Und die Preise sind wirklich exorbitant: Zeltplätze kosten 40-50 Euro, Zimmer 150-200 Euro und selbst Mehrbettzimmer in Hostels kosten deutlich 50 EURO aufwärts. Da ist man froh, wenn man wieder in der Wildnis übernachten kann ;-)
Im Laufe des Tages habe ich mir nun den PNT (Pacific Northwest Trail, 1250 km) angeschaut. Er startet im Osten am Rand der Rockies und geht entlang der kanadisch-amerikanischen Grenze nach Westen Richtung Seattle. Dabei durchquert er mehrere Naturparks und geschützte Gebiete. Jedes dieser besonderen Gebiete hat eigene Regelungen hinsichtlich des Back-Country-Camping. Es sind etliche Permits notwendig, die alle jeweils einzeln zu besorgen sind. Das ist in der Tat zu komplizert, um es vom Trail aus zu organisieren - immer auch mit dem Risiko, dass man kein Permit für die Tage erhält, an denen man durch den Park wandern würde.
Deswegen fahre ich nun zum Snoqalmie-Pass (siehe Karte) und wandere auf dem PCT southbound Richtung Mt. Rainier. Salty ist auch dort und vielleicht wandern wir doch wieder zusammen.
8. September 2022 - Winthrop - Mazama und zurück
Ein richtig geschäftiger Tag war das heute. Vom Campingplatz ging es zunächst in die bezaubernde kleine Stadt - schon ganz früh, um den Charme der Gebäude noch ohne die Hektik zu genießen. Ausserdem ist gerade Oltimertreffen der Wohnmobile hier.
Doch zunächst ging es dann mit einem freundlichen Menschen nach Mazama, wo ich beim Goat`s Beard Shop mir mein Versorgungspaket mit warmen Sachen abgeholt habe. Da kamen dann auch gleich noch warme Leggins und warme Socken dazu, damit ich in den Nächten schlafen kann und nicht bibbern muß. Dort traf ich dann auch noch ein junges deutsche Paar, dass auch in Winthrop eine Unterkunft hat. Sie werden mich morgen mitnimmt nach Leavenworth. Da wollten sie nämlich auch hin.
Ich werde dort den Enchantment Trail um den Cannon Mountain herum entlangwandern. Das ist ein 5*-Wanderweg und eine wunderbare Alternative zu dem Versuch, noch in Oregon einige der übersprungenen Meilen zu gehen (denn dort ist jetzt nur frisch verbrannter Wald zu sehen). Von der Frau, die mich wieder von Mazama nach Winthrop mitnahm, habe ich erfahren, dass man zwar einen Permit braucht, wenn man auf dem Enchantment Trail übernachten will, aber kein Permit braucht, wenn man die 36 Kilometer an einem Tag absolviert - das sollte ich mit leichtem Gepäck bei meinem Training doch hinbekommen!
Und vielleicht wandere ich danach mit dem jungen Paar noch ein paar Tage auf dem PCT vom Stevenspass südwärts - mal sehen.
Abends hat mich dann ein älteres Ehepaar mit ihrem uralten Wohnanhänger (die etwas größer sind wie die meisten in Deutschland) noch zum Essen eingeladen. Dafür habe ich - mit meinem halt nur mäßigen English - von dem Trail erzählt: ein gegenseitiges Geben und Nehmen eben. Ein anderes Paar hat mich nun auch noch zum Frühstück morgen früh eingeladen und ich habe einen dicken Packen mit Riegeln, Getränkedosen und Süßigkeiten bekommen - so herzlich die Menschen hier!
So fügte sich das heute alles so richtig glücklich und ich habe nicht nur alles erledigt, sondern habe einen vollen Bauch und sogar eine 1A-Mitfahrgelegenheit.
Was nicht nur ein wenig stört ist der nun schon etliche Tage in der Luft liegende Brandgeruch der Wildfire. Immer wieder verdunkelt sich auch der Himmel etwas, obwohl die Waldbrände viele zig Kilometer entfernt sind.
Freundliche, glückliche Gesichter auf den letzten Meilen des PCT
Noch etwas anderes möchte ich gerne mit euch teilen. Und das ist die wahnsinnige Herzlichkeit, mit der ich auf meinem Weg zurück Richtung Süden von den meisten auf dem Trail begrüßt wurde. Manchmal kam ich kaum vorwärts vor lauter Hallo und Gesprächen. Und wenn ich auch hier nur selten meinen Trailnamen erwähnt habe, ich bekam ist so oft zu hören die letzten Tag: Hello Happy!
Ein junger Mann sagte mir sogar, dass er mich wiedererkannt hatte, obwohl wir uns das letzte Mal in der Wüste Südkaliforniens gesehen hatten.
So viele glückliche Gesichter, von denen ich euch ein paar hier zeigen möchte. Alle sind sie Thruhiker, die so weit wie möglich bis hier in den Norden Washingtons gewandert sind. Weit über 4000 km mit den eigene Füssen erwandert, durch Hitze, Kälte, Schnee, Sand, verbrannte Wälder, immer mit Hunger und oft auch Durst. Mit Blasen an den Füßen, schmerzenden Knien, Rücksäcken die reiben und alle mit dem ein oder anderen Sturz. Aber eben alle auch glücklich - manche froh, dass es vorbei ist und andere wie ich bedauern es fast, dass das große Abenteuer Pacific Crest Trail jetzt bald zu Ende ist.
7. September 2022 - Stehekin - Chelan - Winthrop
Zunächst nur "kurz" für alle, die mitlesen: Mir geht es gut und ich habe wunderbare Tage hinter mir. Von Stehekin bin ich mit der Schnellfähre über den endloslangen Lake Chelan gefahren, um mir Geld in Chelan zu besorgen. Und nun bin ich auf dem Weg nach Mazama, wo ein warmes Inlet für meinen Schlafsack wartet. Denn....der Herbst rückt eindeutig heran und die Nächte sind ganz schön kalt inzwischen.
Später mehr - erst einmal muß ich schlafen!
Die Tage der Wanderung südwärts auf dem PCT sind einfach nur traumhaft gewesen. So viele tolle Menschen getroffen – solche, die ich kannte und auch neue. Wer hier oben ankommt, hat eine bestimmte Grundhaltung zu anderen Hikern und Trailangels entwickelt – wenn er sie nicht schon vorher hatte. Herzliche Wiedersehen und so schöne Gespräche auch mit ganz unbekannten Hikern.
Dank zweier junger Männer kam ich nach vier Meilen auf der Straße Richtung Stehekin schnell zur dortigen Bakery. Ich kann euch gar nicht sagen, wie gut das alles bei denen schmeckt. Besonders die Zimtschnecken, aber eigentlich alles. Die beiden Männer haben mir dann noch eine halbe Pizza, einen Kaffee und eben eine Zimtschnecke spendiert – so viele freundliche Menschen in den letzten fünf Monaten ist wahrlich ungewohnt.
Später habe ich dann auf einem Quad einen Ride in die Stadt hinein erwischt. Beide Campingplätze schon überfüllt, weil keiner mehr hinauf kann zum Northern Terminus. Neben dem Feuer hat Canada inzwischen wegen COVID die Grenze für den PCT zugemacht. Die Hikerbox quoll über vor Lebensmittel, die nun nicht mehr gebraucht wurden. Ich konnte zwar noch duschen und Wäsche waschen, aber einen Platz habe ich nicht mehr bekommen.
Als ich dann so die Strasse entlang trottete, beobachteten mich zwei ältere Herrschaften. Da man auf so einem Trip Hemmschwellen abbaut, die einen „zu Hause“ daran hindern, so etwas zu tun, fragte ich sie einfach, ob ich auf ihrer Terrasse übernachten dürfte. Und siehe da: es wurde ein herrlicher Gesprächsabend und ich konnte Cowboy-Camping auf ihrer Terrasse machen – mit dem klaren Sternenhimmel über mir.
3. September 2022 - Waldbrände und Umkehr .... und ein Bär
Seit Tagen wandere ich durch eine schöne aber sehr einsame Landschaft. Und nun, am Harts Pass wird endgültig klar: die letzten 40 km Luftlinie kann ich nicht weiterwandern. Mehrere Waldbrände, die bereits seit Tagen in der Luft liegen, versperren den Weiterweg bis zum Northern Terminus. Es hat keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, irgendwie doch noch den einsam liegenden Abschlußort des Pacific Crest Trails zu erreichen. Ich mache mich auf den Rückweg, wandere den Menschen entgegen, die ich während des vergangenen halben Jahrs auf dem PCT getroffen und überholt habe.
Bärenkino!! Noch auf dem Weg nach Norden habe ich endlich auch einmal einen Bären aus nächster Nähe (nein, es war schon noch ein gewisser Abstand da, aber nicht viel) beobachtet. Die schlagen sich jetzt die Bäuche voll mit süssen, reifen Blaubeeren und sehen dabei gar nicht gefährlich aus. Ich denke, ich habe ein paar tolle Fotos und Bilder gemacht.